Samstag, 21. Januar 2012

Wahre Größe

Und so kommt es wie es kommen musste. Die deutsche Wirtschaft steigt kontinuierlich, trotz Wirtschaftskrise, fortwährend an. Vor allem die Verbraucher machen den Unterschied aus. Der Konsum von Gütern ist nicht auf den wohlhabenden Status zurückzuführen, sondern auf die Angst vor der Krise. Was ist mein Geld morgen noch wert? Angst vor der nächsten Inflation?

Zumindest bescheinigt man auch 2011 den deutschen wieder ein gutes Wirtschaftswachstum. Das statistische Bundesamt gab bei den Zahlen für 2011 bekannt, dass das Wirtschaftswachstum um 3,0 Prozent zugelegt hat. Werte, die nur 2006 und 2010 (jeweils 3,7 Prozent) getoppt werden konnten. Und trotz der von Wirtschaftsökonomen befürchteten Rezession zu Beginn des Jahres, scheint es den deutschen doch gut zu gehen. Das ist zumindest, was die Zahlen verraten ( http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,808419,00.html ).

Doch lässt sich aus der wirtschaftlichen Stärke auch automatisch der Spiegel für eine gesunde und lebendige Gesellschaft vorhalten?
Der Indikator für das Wirtschaftswachstum, nämlich das Bruttoinlandsprodukt, bezeichnet die Gesamtheit aller innerhalb eines Jahres hergestellten Waren und erbrachten Dienstleistungen einer Volkswirtschaft. Aber das BIP kann nicht weiter als Indikator für das Wohlergehen einer Gesellschaft dienen. Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und dem tatsächlichen Wohlstand der Menschen muss radikal und neu überdacht werden.

Stattdessen sollte ein wesentlich aussagekräftigerer Indikator entwickelt werden, der das „reale“ Wohlbefinden der Bevölkerung misst und nicht etwa die wirtschaftliche Leistungskraft einer Volkswirtschaft.

Ein Beispiel für die Verblendung der Wirtschaftsstatistik sind Naturkatastrophen. Nach dem Tsunami in Südostasien oder auch der Atomkatastrophe in Fukushima folgte eine Reihe von internationaler und staatlicher Hilfen, wodurch das Wirtschaftswachstum sprunghaft angestiegen ist, das Wohlbefinden der betroffenen Menschen aber nicht.

Ein weiteres Problem ist die Frage der Nachhaltigkeit. Der Bau von Autobahnen, Staudämmen oder Industrieanlagen werden in der Statistik folgenlos als „Wachstum“ deklariert, während sämtliche Folgekosten, nämlich die Umweltschäden die deshalb entstehen, außer acht gelassen werden. Auch jede Form von „Arbeit“ die nicht auf dem Markt entgolten wird, sei es Kindeserziehung, ehrenamtliche Arbeit oder Pflege von Verwandten, ist maßgeblich für das Wohlergehen einer Gesellschaft wichtig, wird aber in keiner Form durch das BIP erfasst.

Das sind auch Aussagen, die von den beiden Nobelpreisträgern Joseph Stiglitz und Amartya Sen kommen, die mit einem „Nettoinlandsprodukt“ ein aussagekräftigeres Bild abgeben wollen „Die Zeit ist reif dafür, dass sich unser Messsystem mehr mit dem Wohlergehen der Menschen als mit wirtschaftlicher Produktivität befasst.“

Auch sollte dadurch vermittelt werden, dass die Zufriedenheit und Lebensqualität der Menschen nicht mehr automatisch mit dem wirtschaftlichen Wachstum ansteigt. Wahre Größe zeigt sich dann doch an anderen Stellen.

Denny Neidhardt

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