Sie sieht ja eigentlich ganz freundlich aus. Sie steht auf der Straße und geht offenherzig den Leuten entgegen, spricht ihnen Mut zu und verteilt Flyer. Marine Le Pen ist Vorsitzende der französischen Rechtsextremisten und Tochter jenes Jean-Marie Le Pen, der Gaskammern nur für ein Detail in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs hält und der an die Ungleichheit der Rassen glaubt.
Er sei kein
„Fremdenfeind, aber ein Franzosenfreund“, sagte er einmal. Ihre
Partei, die „Front National“ (FN), hat, obwohl erst 1972
gegründet, ihre Wurzeln aus dem deutsch-französischen Vichy Regime,
dass zwischen dem französischen Marschall Pétain und Hitler
geschlossen wurde. Sie unterstützten Vorhaben die Kolonien zu
erhalten und haben bis heute beste Beziehungen zur NPD und Pro Köln.
Anders als die deutschen Kleinparteien ist die FN jedoch voll im
französischen Parteiensystem integriert.
Rückblende:
2002 standen die Präsidentschaftswahlen an. Frankreichs Wirtschaft
boomt zu diesem Zeitpunkt nach 5 Jahren „Cohabitation“ mit einem
konservativen Präsidenten Jacques Chirac und einem
sozialdemokratischen Premierminister Lionel Jospin. Das ganze Land
erwartet ein Kopf an Kopf Rennen zwischen den beiden um das
Präsidentenamt. Jospin ist überzeugt mit seinen Wirtschaftszahlen
und einem freundlichen Lächeln die Wahlen für sich entscheiden zu
können. Er sollte sich jedoch täuschen. Es kommt zu einer
Protestwahl aufgrund der starrsinnigen EU Politik der Koalition und
anstatt Jospin, befindet sich Le Pen in der Stichwahl gegen Chirac,
die dieser allerdings klar gewinnen konnte. Dennoch waren die 16% für
Le Pen mehr als ein Ausrufezeichen für die
freiheitlich-demokratische Grundordnung des Landes.
Zu
diesem einen Protest wird es wohl bei der nächsten Wahl
voraussichtlich nicht kommen. Wie kann es jedoch sein, dass eine
Partei, die sich offen zum Nationalismus und Xenophobie bekennt
überhaupt die 5%-Hürde überschreitet? Offenbar liegt es an der
Geschichte Frankreichs, eines der größten Agrarproduzenten Europas.
Folglich hat das Land viele Landwirte, die fernab von jeglicher
Globalisierung ihr täglich Brot verdienen. Die Gemeinsame
Agrarpolitik der EU die seit 1962 Produktionssenkungen in der
Landwirtschaft vorsieht traf die französischen Landwirte deshalb
besonders. Die Hochburgen der EU-kritischen FN befinden sich deswegen
auch in den eher ländlichen Gebieten der Provence und im Nord-Osten,
eines der ärmsten Regionen Frankreichs.
Während
Le Pen noch 1995 die Ausbürgerung von 3 Millionen Nicht-Europäern
forderte, schlägt seine Partei heute einen gemäßigteren Ton an.
Marine Le Pen versucht nach dem österreichischen Modell von Jörg
Haider (der 1999 27% auf die rechtsextreme FPÖ vereinen konnte) die
FN zu entdiabolisieren und mit Sozialpolitik bei enttäuschten
Sozialdemokraten zu punkten. Die Stimmen der Konservativen hat sie
schon: 50% aus dem Lager der regierenden UMP stimmt mit ihren Ideen
überein.
Dabei
zeigt sie immer wieder, dass sie auch einen ganz anderen Ton
anschlagen kann, um ihrer Rolle als Tochter von Jean-Marie Le Pen
gerecht zu werden: Ende 2010 warf sie Muslimen vor, dass mit ihren
Gebeten auf der Straße, französisches Territorium besetzen werden
würde. Das sie damit ankommt zeigen nicht nur die Umfragen, sondern
auch die Wahlergebnisse. Bei den letzten Regionalwahlen konnte die FN
10% erreichen. Es sei doch eben ganz „normal“ seine Stimme der FN
zu geben, sagt ein Großteil der Franzosen. Genauso „normal“ wie
man eben konservativ oder sozialdemokratisch wählt.
Ebenfalls
gleichgültig scheinen den Ungarn die neusten Entwicklungen ihres
politischen Systems zu sein. Mit der absoluten Mehrheit im Rücken
und von einer 15% starken faschistischen Partei (Jobbik) unterstützt,
regieren die Ultrakonservativen um Präsident Viktor Orbán nach Lust
und Laune. Zunächst wird die Pressefreiheit eingeschränkt, nun soll
mit einem Notstandsgesetz die Verfassung ausgehebelt werden. Das
würde endgültig die noch junge Demokratie der Ungarn zerstören.
Ähnlich wie es die Pfeilkreuzerpartei 1944 nach der deutschen
Besetzung Ungarns tat.
Im
Gegensatz zu den westlichen Rechtsextremisten, die ihren Zuspruch und
die zunehmende Angst vor Globalisierung und Überfremdung bekommt,
ist es in Ungarn die Enttäuschung über die demokratischen Kräfte
und die nostalgische Sehnsucht nach einem Nationalstaat im Sinne
Österreich-Ungarns. Generell muss man heutzutage „Le Monde
Diplomatique“ zufolge zwischen 3 rechten Parteitypen unterscheiden:
die nostalgischen Neofaschisten (Ungarn), die Anti-System Parteien
(Frankreich) und die „plötzlich auftauchenden“ Parteien
(Niederlande). Der Aufschwung solcher Parteien liegt wohl
hauptsächlich an der Angst, dass der Wohlstand, der heute erreicht
wurde, morgen weg sein könnte, gemischt mit einer Unverbrauchtheit
nationalistischer Parteien und Provokationen von Islamisten. Es liegt
aber auch an der „Erstarrung“ demokratischer Kräfte im Angesicht
der wiedererstarkten Rechten. Rechtsextrem: das ist heute nicht mehr
Hitler, sondern der nette Nachbar von nebenan.
Nino Zebiri