Sonntag, 11. Dezember 2011

Mittelschicht ade

Occupy-Movement, Obamacare und Anonymous, alles sozialistische Blüten in den Augen vieler Mittelschicht-Amerikaner oder zumindest sollen sie dies denken. In Deutschland hören wir gerne von der CDU ähnliches, was denn nicht alles Sozialismus sei.
Doch: Was genau war nochmal der Unterschied zwischen Sozialismus und Kapitalismus? Demokratie ist nur im Kapitalismus möglich und Demokratie bedeutet Freiheit – so die offizielle Meinung.
Was wir gerne vergessen, beide Systeme haben auch Gemeinsamkeiten. Eine von vielen Gemeinsamkeiten ist, dass kein Bürger beider Systeme frei ist.
Unangenehme Fragesteller verfrachten beide schon mal gerne ins gegnerische Lager, sobald Unannehmlichkeiten des Systems angesprochen werden. Um es in Merkel-manier auszudrücken, die Systemfrage ist „alternativlos“ für beide Seiten. Wobei der Sozialismus in der dritten Runde auf deutschem Boden als DDR ausgeknockt wurde. Erste Runde Straßenkämpfe zur Zeiten der Weimarer Republik, der Sozialismus taumelt. Runde zwei Helmut Schmidt verpasst der RAF, dem Reststraßenkampfsozialismus, den Todesstoß. Am Ende kehrt Schröder die DDR-/Systemsozialismusscherben ins Kabarett mit dem Hartz-IV-Besen.
Sollte ein System seine böse Fratze zeigen, antworten wir als gebildete Demokraten im einzig Freiheit gebenden System ebenfalls mit Merkel: „Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, müssen wir eine gemeinsame Lösung finden.“
Ob dies nicht nur eine Phrase ist, die den Herrschenden die Erlaubnis gibt bedeutungsschwanger heisse Luft zu pusten, bis sie uns ausgeht und wir uns auf das andere medialaufgearbeitete Problem stürzen sollen, entscheidet sich an dem Wort „gemeinsam“.
Gemeinsam hiesse, als Demokratie besitzen wir alle einen Anspruch am Allgemeinwohl und damit an den Leistungen, die die BRD bereitstellt. Wäre die BRD ein Unternehmen so hätten wir einen Stakeholder Value. Wir wären in irgendeiner Form in die Erbringung der Leistungen und oder in die Ausschüttung selbiger eingebunden, wären also Teil der Wertschöpfungskette der Fabrik BRD. Doch ein richtiges Mitspracherecht haben wir nicht. Wir können ersetzt werden oder unsere Interessen sind kein Bestandteil der Gewinnerbringung. Wir sind die Nachbarn der Klebstofffabrik, deren Abgase unsere Lungen zerfrisst. Denn: Wir besitzen ja keine Anteile am Unternehmen.
Das sind die Shareholder, also Anteilseigner. Ihr Value, der Shareholder Value muss maximiert werden, denn ihr Geld ist es auch, das investiert ist im Unternehmen. Und jetzt dürfen wir in den Stammtisch verfallen. Wir dürfen von bösen Unternehmern reden, Investmentbankern, verlogenen Politikern und Rechtsanwälten.

Oder wir sprechen von der saublöden Mittelschicht in Deutschland, die vergessen hat, dass schon immer eine kleine Gruppe gesagt hat, wie es läuft. Wie waren die Besitzverhältnisse in Westdeutschland denn über die Jahrtauswende? Vielleicht ist das Heute ja etwas vollkommen Neues.
Erst gab es Sklaven und ihre Besitzer. Dann im Feudalismus Bauern und die Adligen, denen sie zu Frohndienst verpflichtet waren, sowie die Kirche und ihr Anspruch auf den Zehnten. Heute gibt es seit 1918 mit einer kleinen Unterbrechung von 12 Jahren, Uns und unsere Bank, der wir Schuldendienst leisten.
Im ostdeutschen sozialistischen Exkurs selbiges Bild. Eine kleine Gruppe, die den anderen sagt was sie zu tun haben, finanziert durch Banken aus dem Westen, damit ein neues IKEA-Werk hinter dem antifaschistischen Schutzwall im Land der Billiglöhne gebaut werden kann. Was war die Mauer also mehr als eine Fabrikwand, die den Abteilungsleitern unter Führung des Vorarbeiters Honecker, das Ausbeuten der Zwangsmitarbeiter im Tochterunternehmen der BRD erlaubte?! Nicht von Anfang an zugegebenermaßen. Doch die Waldorfschule mit eigenem Ackerbau hat mit dem Aufbau der Fabrikmauer den Betrieb umgestellt auf Billigprodukte für die Kinder der besseren (Wirtschafts-)Schulen im Westen.
Machen wir uns zwei Tatsachen klar, die zu einer Wahrheit führen:
1) Die Mittelschicht ist eine geschichtliche Anomalie. Der zweite Weltkrieg lies zum ersten Mal fast alle auf demselben ökonomischen Niveau zurück. Nun konnte sich jeder hocharbeiten, bis in den Sechzigern sich wieder einige von den anderen nach oben abgesetzt hatten. Seit dem bewegt sich die Gesellschaft wieder auf ihren Zustand vor dem Krieg zu: eine kleine Mittelschicht, viele Geringverdiener und wenige Reiche.
2) Schuldendienst ist das neue Herrschaftsinstrument. Schulden durch Miete, Leasingraten für das Auto, Bausparraten,… alle sollen sie ein passives Einkommen für die Gläubiger erwirtschaften.
Die Wahrheit nun ist frühestens 2400 Jahre alt und stammt aus dem alten Griechenland. Dem Land, in dem sich unsere Währung, der Traum vom Eigenheim und faulen Leben als Teil einer Mittelschicht für alle Europäer entscheidet:
Wir sind entweder Könige unter den Menschen oder die Vasallen dieser Könige (Thukydides).

Matthias Morrkopf

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen