Montag, 30. Januar 2012

Zur Situation des deutschen Bildungssystems

Ein Kommentar von Benjamin Schaller

Vergesst Erdöl, vergesst Kohle, vergesst den Euro - unsere wichtigste Ressource ist die Bildung. Die Bundesregierung weiß das, ihr sind aber gesetzlich die Hände gebunden. So schlingert das Bildungssystem durch Ungerechtigkeit und finanzielle Probleme.

Exportweltmeister. Unter diesem Schlagwort wird seit Jahren versucht, dem deutschen Wirtschaftssystem einen metaphorischen Siegesstempel aufzudrücken. Deutschland als Global Player auf dem internationalen Markt, der es versteht, qualitativ hochwertige und begehrte Waren anzubieten und diese gewinnbringend abzusetzen. Viele deutsche Unternehmen verstehen es, aus den gegebenen Ressourcen das Beste herauszuholen. Damit das auch in Zukunft so bleibt, sollten Staat und Gesellschaft sich darauf konzentrieren, der wichtigsten aller Ressourcen endlich die Aufmerksamkeit und Behandlung zu schenken, die ihr zusteht – und die sie auch benötigt: Die Bildung.

Bildung bedeutet Chancen, Perspektiven, Fortschritt – für den individuellen Menschen wie für ein wirtschaftliches System. Sie bietet dem Einzelnen die Möglichkeiten zur freien Persönlichkeitsentfaltung, gibt der Gesamtheit die Voraussetzungen für technische wie gesellschaftliche Innovationen – und ist, anders als bspw. Erdöl, keiner natürlichen Begrenzung unterworfen. Dass dies so ist, muss auch die jetzige Regierung unter Kanzlerin Merkel einmal so gesehen haben – schließlich trägt der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP den Titel „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“. Tatsächlich enthielt die Regierungsvereinbarung auch einige vielversprechende Punkte. So versprach das neue Deutschland-Stipendium 8 % der Studenten die Aussicht auf finanzielle Rückendeckung vom Staat. 2011 wurde das Förderungsprogramm eingeführt – statt der anvisierten 160.000 profitieren aber derzeit nur 10.000 (0,5 %) der deutschen Studierenden davon. Das Erreichen der ursprünglichen Zielstellung wurde vorerst auf 8 Jahre (also sicherheitshalber in die folgende Legislaturperiode) verschoben.

Weitere Punkte des Koalitionsvertrags wurden teils erreicht (z.B. die Reformierung der ZVS), teils lassen sie auch auf sich warten (z.B. Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes). Der eigentliche Dorn im Auge vieler Kritiker des Bildungssystems wurde dagegen gar nicht erst im schwarz-gelben Pakt berücksichtigt: Bildung ist Ländersache - hier hat sich der Bund nicht einzumischen. Dies ist seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 durch ein Kooperationsverbot von Bund und Ländern schriftlich in aller Deutlichkeit festgesetzt. Natürlich geschah das im Interesse der Länder, die befürchten, ihr letztes bedeutsames Machtsegment abgeben zu müssen. Folge dieses Machtkampfes sind 16 Bildungssysteme in 16 Bundesländern, in deren Vergleich meist mehr signifikante Unterschiede als Gemeinsamkeiten zu erkennen sind. Ob Schüler nun eine sehr gute, gute, befriedigende, ausreichende, mangelhafte oder ungenügende Ausbildung erfahren, ist damit zu großen Teilen von dem Glück oder Pech abhängig, im richtigen oder falschen Bundesland aufzuwachsen. Zudem wird für viele schulpflichtige Kinder ein Umzug der Eltern durch die föderalistische Bildungsgestaltung zur Tortur. Neben den ohnehin auf sie einprasselnden sozialen Veränderungen ist auch im Schulalltag sehr viel Anpassungsfähigkeit gefragt. In einer Gesellschaft, in der häufige Arbeitsplatzwechsel beileibe keine Seltenheit sind, ist hier ein Entgegenkommen an die Familien gefragt. Dessen ist sich auch Bildungsministerin Annette Schavan bewusst. "Wir möchten die Vielfalt der Bildung, die teilweise auch auf regionalen Traditionen basiert, nicht in Frage stellen. Dennoch soll und muss aber eine Vergleichbarkeit gewährleistet und damit Mobilität ermöglicht werden", so die CDU-Politikerin - in einem Interview aus dem Jahr 2009. Getan hat sich seitdem wenig. Die Ministerin kann als zahnloser Tiger betrachtet werden, aufgrund der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Sachen Bildung steht ihr zwar das Brüllen, aber nicht das Beißen zu.

So brüllt sie in Form von Interviews weiter, und fordert aktuell: "Das Abitur aus Hamburg muss genauso viel wert sein wie das aus Bayern." Vielen Studenten im ersten Semester ist das derzeitige Dilemma aus dem Aufeinandertreffen mit Kommilitonen aus anderen Bundesländern bekannt. Die unterschiedlichen Lehrpläne führen zu Situationen, in denen einige Studenten in den Anfangsvorlesungen ihres Studiums an manchen Punkten unter-, an anderen überfordert sind - während die Studienkollegen aus anderen Bundesländern sich in der jeweils gegenteiligen Lage befinden.
Für die universitäre Bildung war der Föderalismus im Bologna-Prozess ohnehin seit jeher als Klotz im Bein zu betrachten. Die zugegebenermaßen schwierige Mission zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes wurde in Deutschland von jedem Bundesland mehr oder weniger gelungen zu meistern versucht. Daraus ergibt sich heute die paradoxe Konstellation, dass ein Hochschulwechsel von Hamburg nach Rom meist einfacher zu bewerkstelligen ist als zwischen Frankfurt und Mainz. So kommt auch Tigerin Schavan nicht umhin zuzugeben, dass "Bologna nicht an allen Hochschulen gut angelaufen ist". Dennoch sieht sie die Unireform "mit vielerlei Chancen verbunden". Dem stimme ich zu, trotz Anlaufschwierigkeiten ist das Vorhaben natürlich noch nicht zum Scheitern verurteilt. Die bürokratischen Hürden des Föderalismus werden aber auch die zukünftige Entwicklung eher bremsen als beschleunigen.

Eine weitere Problematik, die Bildungseinrichtungen durch den Föderalismus erfahren, ist im finanziellen Aspekt zu erkennen. Das Kooperationsverbot untersagt es dem Bund, Schulen und Hochschulen finanziell unter die Arme zu greifen, so dass diese auf die klammen Kassen der Länder angewiesen sind. Die Folgen beschreibt Thorsten Denkler in einer im August 2008 in der Süddeutsche Zeitung erschienenen Analyse: "Viele Schulen ähneln Bruchbuden. Putz blättert, es regnet durchs Dach, im Winter frieren die Kinder, im Sommer schwitzen sie. Kein Angestellter würde sich solche Arbeitsbedingungen gefallen lassen. 78,5 Milliarden Euro müssten sofort investiert werden, um alle Schulen auf einen halbwegs passablen Stand zu bringen, schätzt das Deutsche Institut für Urbanistik." Ein aktuelles Negativbeispiel aus dem Hochschulbereich liefert die TU Dresden. Aufgrund von im bundesweiten Vergleich relativ geringen Zuwendungen des Freistaates Sachsen sieht Rektor Hans Müller-Steinhagen "bei weiteren Kürzungen Forschung und Qualität der Lehre gefährdet". Der MDR spekuliert gar über die Abschaffung einiger Studiengänge.

Die Bildung ist das wichtigste Gut unserer Gesellschaft. Sämtliche gesellschaftliche Errungenschaften, seien es technische Innovationen, Maßnahmen zum Umweltschutz oder Förderung sozialer Gerechtigkeit, beruhen auf Wissen, endstanden aus Bildung. Wie der Staat derzeitig mit diesem essentiell bedeutsamen Gut umgeht, ist grob fahrlässig, naiv und rücksichtslos. Oder, wie der Journalist Heribert Prantl den Bildungsföderalismus beschreibt: "Praktizierte Bürgerferne, [...] schikanös, [...] eine staatsrechtliche Spielform des Sadismus." Die Frage ist nun, wie weiter verfahren mit dem Problemkind Bildung? "Zentralismus ist nicht gleichzusetzen mit Gerechtigkeit", sagt Annette Schavan. Aber zumindest sollten die Länder erkennen, dass eine Zusammenarbeit mit dem Bund in Bildungsfragen nicht in erster Linie als Angriff auf ihre Gesetzgebungskompetenz, sondern als Chance für diejenigen, die das Thema vordergründig betrifft - Schüler, Studenten, Auszubildende, Lernende jeder Altersklasse - zu betrachten ist. Aktuell hat die SPD-Bundestagsfraktion einen ersten Vorstoß zur Abschaffung des Kooperationsverbotes gewagt. Es wäre der Politik, der Wirtschaft und nicht zuletzt dem Volk zu wünschen, dass dieses Vorhaben in einen Erfolg mündet.

Langfristig betrachtet muss das Ziel sein, die vorhandenen Potentiale bestmöglich umzusetzen und mittels einer gerechten staatlichen Gestaltung jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, sich frei bilden zu können. Auch Freunde der Statistik würden es sicher gern sehen, würde Deutschland in einer der kommenden PISA-Studien einen Spitzenrang einnehmen. Bereits 2008 musste der Titel des Exportweltmeisters an China abgegeben werden. Zeit also, sich ein neues Ziel zu setzen. Was wäre da erstrebenswerter als: Bildungsweltmeister!

Samstag, 21. Januar 2012

Wahre Größe

Und so kommt es wie es kommen musste. Die deutsche Wirtschaft steigt kontinuierlich, trotz Wirtschaftskrise, fortwährend an. Vor allem die Verbraucher machen den Unterschied aus. Der Konsum von Gütern ist nicht auf den wohlhabenden Status zurückzuführen, sondern auf die Angst vor der Krise. Was ist mein Geld morgen noch wert? Angst vor der nächsten Inflation?

Zumindest bescheinigt man auch 2011 den deutschen wieder ein gutes Wirtschaftswachstum. Das statistische Bundesamt gab bei den Zahlen für 2011 bekannt, dass das Wirtschaftswachstum um 3,0 Prozent zugelegt hat. Werte, die nur 2006 und 2010 (jeweils 3,7 Prozent) getoppt werden konnten. Und trotz der von Wirtschaftsökonomen befürchteten Rezession zu Beginn des Jahres, scheint es den deutschen doch gut zu gehen. Das ist zumindest, was die Zahlen verraten ( http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,808419,00.html ).

Doch lässt sich aus der wirtschaftlichen Stärke auch automatisch der Spiegel für eine gesunde und lebendige Gesellschaft vorhalten?
Der Indikator für das Wirtschaftswachstum, nämlich das Bruttoinlandsprodukt, bezeichnet die Gesamtheit aller innerhalb eines Jahres hergestellten Waren und erbrachten Dienstleistungen einer Volkswirtschaft. Aber das BIP kann nicht weiter als Indikator für das Wohlergehen einer Gesellschaft dienen. Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und dem tatsächlichen Wohlstand der Menschen muss radikal und neu überdacht werden.

Stattdessen sollte ein wesentlich aussagekräftigerer Indikator entwickelt werden, der das „reale“ Wohlbefinden der Bevölkerung misst und nicht etwa die wirtschaftliche Leistungskraft einer Volkswirtschaft.

Ein Beispiel für die Verblendung der Wirtschaftsstatistik sind Naturkatastrophen. Nach dem Tsunami in Südostasien oder auch der Atomkatastrophe in Fukushima folgte eine Reihe von internationaler und staatlicher Hilfen, wodurch das Wirtschaftswachstum sprunghaft angestiegen ist, das Wohlbefinden der betroffenen Menschen aber nicht.

Ein weiteres Problem ist die Frage der Nachhaltigkeit. Der Bau von Autobahnen, Staudämmen oder Industrieanlagen werden in der Statistik folgenlos als „Wachstum“ deklariert, während sämtliche Folgekosten, nämlich die Umweltschäden die deshalb entstehen, außer acht gelassen werden. Auch jede Form von „Arbeit“ die nicht auf dem Markt entgolten wird, sei es Kindeserziehung, ehrenamtliche Arbeit oder Pflege von Verwandten, ist maßgeblich für das Wohlergehen einer Gesellschaft wichtig, wird aber in keiner Form durch das BIP erfasst.

Das sind auch Aussagen, die von den beiden Nobelpreisträgern Joseph Stiglitz und Amartya Sen kommen, die mit einem „Nettoinlandsprodukt“ ein aussagekräftigeres Bild abgeben wollen „Die Zeit ist reif dafür, dass sich unser Messsystem mehr mit dem Wohlergehen der Menschen als mit wirtschaftlicher Produktivität befasst.“

Auch sollte dadurch vermittelt werden, dass die Zufriedenheit und Lebensqualität der Menschen nicht mehr automatisch mit dem wirtschaftlichen Wachstum ansteigt. Wahre Größe zeigt sich dann doch an anderen Stellen.

Denny Neidhardt

Sonntag, 15. Januar 2012

Als es mir zu wulff wurde

Noch vor dem Jahreswechsel meinte der Bundespräsident seine bis dahin scheibchenweise herausgegebenen Informationen würden ihn schon retten und in einem Jahr sei alles vergessen.
Vergessen scheint der Bundespräsident a.D. in spe, dass er keine Leiche, sondern einen ganzen Friedhof im Keller hat, die für sich genommen jedes Kabinettsmitglied der Standbildregierung-Merkel das politische Genick brächen.

Genau wie die Medien, Die ZEIT, die Allgemeinheit und meine Wurstfachverkäuferin habe auch ich aufgehört mir zu merken, was genau wie chronologisch vorgefallen ist. Ab wann er meinte das Bauernopfer seines jahrelangen PR-Sprechers, der ihn politisch treu wie ein Sherpa zum Ministerpräsidenten und dann ins höchste Amt des Staates geführt hat, sei genug für einen Telefonausraster. Der BILD Krieg zu erklären. Ein weiterer besonders blöder Schachzug des Christian Wulff.


Als die Flugmeilen ins Gespräch kamen, wurde es mir zu wulff. („Zu wulff werden“: ein unerträgliches Maß an nicht unterhaltsamer Medienpräsens einnehmen.)
Müssen wir jetzt noch vier wulffe Jahre durchhalten bis wulff Wulffs Amtszeitende. Ein Endzeitendeszenario, das von mir nur durch dieses unfuckin unwulffsche Alternativende ersetzt werden kann:
Für die Zeit bis zum Ende der Amtszeit erklärt Frau Dr. Causa Merkel ein Moratorium über die Causa-Wulff bis die FDP die Parteienförderung aufgrund zu geringer Mitgliederzahlen verweigert wird und die politischen Probleme um die Standbildkanzlerin sich wieder einmal von selbst lösen.

Frau Bettina wird fälschlich des Hitler-Grußes beim polnischen Staatsbesuch in Berlin bezichtigt und kommt in U-Haft. Die VW-Anleger bekommen das Wulffsche Reihenhaus aus Freundeskrediten zugesprochen. Peter Zwegat erklärt der hochverschuldeten Patchwork-Familie, dass sie die Freunde ab sofort nur noch auf Staatskosten zu sich zum Übernachten ins Schloss Bellevue einladen sollen. Final zur Schuldenbekämpfung ziehen die Wulffs ins Dschungelcamp bei RTL.

Der Flug in der Einpropeller-maschine lässt den Präsidenten politisch unbeschadet in der neuen Urwaldresidenz landen, denn ein Upgrade mit Staatsmeilen ist in dem kleinen Flugzeug nicht möglich und die australischen Behörden haben versprochen ihn am Ende wieder den deutschen Steuerbehörden auszuliefern.
Wulff kämpft sich zurück in die Herzen der Bundesbürger durch seine offenen Reuebekundungen, und seine übertrieben ausgespielte Opferrolle, die er den Anrufen der kompletten BILD-Redaktion für die täglichen Dschungelprüfungen verdankt. Zusammen mit Guido Westerwelle knabbert sich der eingefleischte Überlebenskämpfer durch die Kangaroohoden.

Auch die wutentbrannten Entgleisungen und Kriegserklärungen in der TV-Box können dem schrulligen Ex-Eigenheimbesitzer nichts mehr anhaben.
Der Aufstieg des ehemaligen Präsidenten ist unaufhaltsam als Daniel Kübelböck ihm in einer Co-Produktion mit Dieter Bohlen die Hauptrolle in der Politikkomödie „Einer flog übers Eigenheim“ anbietet. Siegreich kehrt der Wuttelefonist Heim in das staatlich bezahlte 20m²-Appartment im Hannoveraner Süden.


Die BILD titelt am Ende des Madenwettessens groß vom Sieg des Dschungelpräsidenten und unter dem Falt rekelt sich Bettina mit dem vom Nochehemann so viel gepriesenen Tattoo als BILDGIRL. Vergessen ist der Drohanruf an die Redaktion und offiziell in der BAMS erzählt der Dschungelpräsident von der neugefundenen Redlichkeit und dem Wertesystem, von dem schon Angela Merkel fantasierte, als er noch in seinem langweiligen Reihenhausjob festsaß. Er spricht über seine neu gefundene Freiheit und wie sehr er sich für Exfrau Bettina und den Vorjahressieger Vincent Raven freut, die in der Schweizer Eigenheimberghütte der Geburt des gemeinsamen Nachwuchs Azrael-Corax Körner-Wulff-Raven entgegen fiebern.
Plötzlich Single entscheidet sich der Dschungelpräsident sich das neue Fernsehangebot anzunehmen und den begehrten Junggesellen in der RTL-Serie „Der Bachelor“ zu mimen.


Eine Causa-Merkel ist nie entstanden. Die betagte Elder Statesmännin versicherte dem Dschungelpräsidenten eine erstklassige Gesangskarriere unter der erfahrenen Anleitung des Musikproduzenten und Vorjahreszweitplazierten im Dschungelcamp Ailton. Merkel „ wiederhole gerne noch einmal, dass [sie] die Arbeit des [Dschungel]Präsidenten schätze“ und „glaub[t] er hat in den vergangenen Tagen und Wochen gezeigt, dass er auf viele [Dschungel]Fragen eine Antwort gegeben hat.“ Weiter sagt die Standbildkanzlerin, „Sollte es neue Fragen geben bin ich davon überzeugt, dass er sie genauso beantworten wird und deshalb hat meine Wertschätzung bestand und ich freue mich morgen auf den Neujahresempfang.“
Und so fängt die Geschichte an.

Matthias Morrkopf

Mittwoch, 4. Januar 2012

Fehlklänge im europäischen Konzert

Die EU erlebt mit der Eurokrise ihre erste wirkliche Prüfung seit dem Fall des Eisernen Vorhangs; besteht sie, kann sie stärker werden als je zuvor, andernfalls droht das Ende eines bisher einmaligen Experiments.
Die Szene war symbolisch für das Krisenmanagement der EU in den letzten Monaten: Nach einer langen Verhandlungsrunde während des EU Gipfels am 9. Dezember in Brüssel kommt der britische Premierminister David Cameron dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy entgegen und streckt die Hand zur Begrüßung aus. Dieser ignoriert ihn nur und wendet sich anderen Kollegen zu. Ähnlich unterkühlt sind die Beziehungen zwischen zahlreichen anderen EU Mitgliedsstaaten. So beschossen sich die Regierungen der EU am Rande des Gipfels gegenseitig mit Vorwürfen um von ihrem eigentlichen Problem abzulenken: jahrelange Vetternwirtschaft und Unterschätzung von Krediten, die die Weltfinanzkrise 2008 in eine Staatsschuldenkrise und Eurokrise verwandelt hat.

In Deutschland herrscht Wut auf Griechenland. Man möchte nicht für Schulden aufkommen die man selbst nicht verursacht hat. Frankreich kritisiert Deutschlands Blockade zu Eurobonds, Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen möchte am liebsten ganz aus dem Euro austreten, und Polens Außenminister Radoslaw Sikorski wirft Deutschland Unentschlossenheit vor.

Ziel des Gipfels war die Ausarbeitung eines neuen EU-Vertrages mit stärkeren Kontrollen des Finanzsystems und somit einer Stärkung des Euros gegenüber Spekulanten. Das „Nein“ von Großbritannien zu dem Vertrag demonstriert damit auch die Wiedererstärkung der Banken und die Ohnmacht der Politik. Irland, gerade erst durch den Eurorettungsregenschirm in sanfte Gewässer gebracht, gilt als potentieller Anhänger Großbritanniens bei einem „Nein“ zur EU Vertragsänderung. Immer mehr Staaten praktizieren Protektionismus und verschlimmern dadurch die wirtschaftliche Lage.

Ein eigener EU-Vertrag aller Staaten die Vertragsänderungen wollen, ein Nord-Euro, ein Ende des Euros. Alle Szenarien scheinen im Moment möglich. Jedoch geht es häufig auch um Eigeninteressen, anstelle das Land aus der Krise zu hieven. Merkels Blockade gegen Euro-Bonds beispielsweise ist aus makroökonomischer Sicht uneffektiv, weil Deutschland von der Wirtschaftskraft seiner Nachbarn und den daraus folgenden Exporten abhängig ist und von einer Pleite eines EU-Mitglieds betroffen wäre, wird aber von deutschen Unternehmern gefordert.

2012 nun steht Europa am Scheideweg. Der Euro hat nur eine Zukunft, wenn alle Staaten, die EU-Mitgliedsstaaten außerhalb der Eurozone eingeschlossen, auch in Krisenzeiten zusammenarbeiten, anstatt sich auf die kurzfristigen Vorteile des Protektionismus zu fixieren. Denn dieser Zusammenhalt bestimmt die Stärke des Euros als Leitwährung und schafft das so sehr benötigte Vertrauen der Märkte. Ein gemeinsames Überstehen der Krise, die die EU momentan spaltet, würde somit den Euro mehr stärken als je zuvor.

Für 2012 bessern sich Vorzeichen der Wirtschaft. Die USA erwarten2012 ein Wachstum von 2,5%, was man heutzutage als Aufschwung werten kann. Nun ist es an Europa sich wieder besser abzustimmen. Dann klingt das Konzert auch wieder fehlerfrei.

Nino Zebiri