Donnerstag, 12. April 2012

Afrika feiert Sambias Wiederauferstehung


Es war der 27.April 1993 als ein Flugzeug nahe Gabun in den atlantischen Ozean stürzte. Ein tragischer Unfall, der afrikaweit für Aufsehen sorgte. Denn an Bord befanden sich 18Nationalspieler Sambias und Verbandsfunktionäre auf dem Weg zum Auswärtsspiel im Senegal. In Libreville, der Hauptstadt Gabuns, wurde das Flugzeug noch aufgetankt und versank, nachdem ein Triebwerk Feuer fing, kurz darauf im Meer.

Am 12.Februar 2012 stand erneut Sambias Nationalmannschaft in jenem Libreville im Mittelpunkt: sie holte 19 Jahre nach dem "Gabon Air Disaster" erstmals den kontinentalen Titel. Der Sport schrieb schon immer seine eigenen Geschichten, aber diese ist definitiv einzigartig. Dabei ging Sambia als Underdog in das Turnier, schlug im Turnierverlauf die Favoriten Ghana (Halbfinale) und die Elfenbeinküste (Finale). Letztere in einem dramatischen Elfmeterschießen. Klingt nach einem kleinen Fußballwunder, sah aber ganz anders aus als Griechenlands Euro-Helden 2004. Ganz einfach zu sehen an einem kleinen Beispiel: es läuft das Elfmeterschießen im Finale -die Situation größter Anspannung und Nervosität. Die Spieler stehen - für gewöhnlich - unruhig am Mittelkreis und wissen nicht wohin mit sich. Sambias Spieler knieten im Mittelkreis, sangen Arm in Arm gemeinsam als ihr Mannschaftskollege zum alles entscheidenden Strafstoß anlief.

Kurz darauf singt ganz Sambia: Glaube, Gefühle und so etwas wie "Spirit" liegt in Afrika nicht nur beim Fußball in der Luft. Ihr Trainer Herve Renard, als Franzose eigentlich nicht besonders nah dran am afrikanischen Lebensgeist, trägt seinen verletzten Spieler Joseph Musonda zum Spielerkreis, der mal wieder in einen der rhythmischen Lieder ihrer Heimat vertieft ist und für das Wunder von Libreville dankt. Bilder, die nicht um die ganze Welt gehen, obwohl EuroSport das Duell live überträgt. Aber Afrika ist fernab und was dort passiert, sei es im Sport, der Kultur oder der Politik flimmert nur selten über die deutschen Fernseher.

Bestes Beispiel ist Finalgegner Elfenbeinküste. Im Frühjahr brauchte es ein halbes Jahr Mord und Totschlag, bis die Präsidentschaftswahl ein paar Zeilen am Rande des deutschen Blätterwaldes bekam. Währenddessen bangte man doch zu sehr mit den Ölvorkommen in Nordafrika und den beliebten Reisezielen am Nil und dem Mittelmeer. "Was scheren mich ein paar erschossene Farbige, wenn uns die Araber auf Lampedusa die (europäische) Tür einrennen?", so schien der Medien-Tenor zu lauten. Über so gut wie alle politischen Vorgänge Afrikas ist bestenfalls ein Dreizeiler in den größten Tageszeitungen zu finden, während jeder Schachzug bei der Kandidatenkür für die Präsidentschaftswahl der USA eine Sondersendung fordert. Dabei ist zum Beispiel Gabun, gemeinsam mit Äquatorialguinea Ausrichter des Afrika-Cups 2012, 1000km näher an Deutschland als Washington DC. Es leben mehr als doppelt so viele Afrikaner, knapp eine halbe Million, wie

US-Amerikaner in der Bundesrepublik.

Es scheint fast ein ganzer Kontinent verdammt dazu, mit Ignoranz des Westens gestraft zu werden und lediglich alle zwei Jahre zum African Cup of Nations seine Seele ein paar versprengten Fußballbegeisterten zu öffnen. Wir verpassen einen überaus lebendigen Kulturkreis. Wer doch etwas mehr als nur BBC-Dokumentationen der Serengeti erfahren will, muss in alternativen Programmen suchen. Seit Jahren sendet z.B. der freie, nicht kommerzielle Rundfunksender "Radio Frei" aus Erfurt aller zwei Wochen eine Sendung mit dem passenden Namen "African Spirit"; von Afrikanern für alle Interessierten.

Durch die Umstellung von gerade auf ungerade Jahre findet der nächste Afrika-Cup bereits 2013 in Südafrika statt. Und da bleibt genug Zeit bis zum 13.Januar, um mehr über unseren Nachbarkontinent zu erfahren. Denn Afrika ist nicht bloß "Waka, waka". Sambias Landeshauptstadt hat fast so viele Einwohner wie München, doch wer kennt hierzulande ihren Namen?



Aaron Thieme

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