Dienstag, 7. Februar 2012

Bart oder Uniform

Ein Jahr nach dem Sturz von Husni Mubarak steht Ägypten zwischen Gottesstaat und Militärdiktatur

Es sollte der große Wandel in Ägypten werden – zum ersten Mal in der Geschichte des durch Königen und Militärherrschern ausgebeuteten Landes fanden zwischen dem 28. November und 10. Januar freie Wahlen statt. Hoffnung auf einen demokratischen Wandel keimte in der Bevölkerung nach dem Arabischen Frühling auf. Nachdem sich jedoch die Umfrageergebnisse bewahrheiteten kehrte bei den Liberalen, die die Revolution angeführt hat, wieder Ernüchterung ein; blieben ihre Vertreter doch unter zehn Prozent. Die Mehrheit hingegen konnte die in der Revolution abwesende ehemalige Opposition der Muslimbruderschaft (Freiheits-und Gerechtigkeitspartei) mit 38% hinter sich wissen. Ebenfalls großen Rückhalt genießt die radikalislamistische Partei des Lichts (30%). Die religiösen Parteien stellen nun in der Zeit nach Mubaraks nationaldemokratischen Militärs die Mehrheit im Parlament.

Doch wie lässt es sich erklären, dass bei jeglichen freien Wahlen in der muslimischen Welt Islamisten die Mehrheit erringen? 1979 stimmte im Iran die Bevölkerung bei einer Volksabstimmung für eine theokratische Verfassung und 1992 löste der sich abzeichnende Wahlsieg der Islamischen Heilsfront bei den ersten freien Wahlen in Algerien gar einen so blutigen Bürgerkrieg zwischen Islamisten und Militärs aus, dass es heute kaum noch Stimmen gegen die aktuelle Militärregierung gibt. Kann sich Geschichte wiederholen?

Es ist unbestritten, dass in diesen Staaten die Religion in allen Lebensbereichen eine große Rolle spielen. Deshalb ist es in der Politik für Islamisten einfach, gewählt zu werden - unabhängig von ihrem Programm. Ihre politischen Ziele werden, da es sich um Islamistische Parteien handelt, in Einklang mit der Schari‘a gesehen, was nicht immer der Fall ist. Korruptionsaffären werden den „Brüdern“ vergeben. Besonders in ländlichen Gegenden mit niedrigem Bildungsstand, wo 60% der ägyptischen Bevölkerung leben, werden sie vom Volk als Religionsvertreter in der Politik gesehen und ihr humanitäres Engagement geschätzt. Das hohe Stammwählerpotential der Islamisten ist in etwa mit dem konservativer Parteien in Europa vergleichbar, wenn auch aus anderen Gründen.

Die jüngsten Ereignisse in Ägypten zeigen jedoch auch, dass das Militär noch immer Macht in Ägypten besitzt und, wie einst in Algerien, hart durchgreift. Demonstranten auf dem Hariri Platz werden von Einheiten des Militärrates niedergeknüppelt und nach einem Fußballspiel in Port Said kam es zu Gewalttaten gegen die liberalen Anhänger des Vereins Al-Ahli Kairo mit über 70 Opfern.

Es ist zudem unbestritten, dass Militärregierungen in der westlichen Welt als geringeres Übel gesehen und deshalb finanziell unterstützt werden. Mubarak schloss Frieden mit Israel, Präsident Bouteflika erlaubt dem amerikanischen Konzern Exxon Ölbohrungen in Algerien und der ehemalige tunesische Präsident Ben Ali unterhielt gute Beziehungen zur CIA.

Aufgrund der Stärke dieser beiden Politikströmungen musste die Hoffnung auf einen historischen Wahlsieg liberaler Kräfte und einer Demokratisierung eines arabischen Staates ein weiteres Mal begraben werden. So bleibt nur die Wahl zwischen demokratisch gewählten Bärten oder pro-westlichen Uniformen.

Nino Zebiri

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