Freitag, 2. Dezember 2011

Die Machtergreifung der Technokraten

In Italien und Griechenland werden erstmals technokratische Regierungen installiert – Ein Modell mit Zukunft?

Am 9.November erklärte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou seinen Rücktritt; drei Tage später sein italienischer Amtskollege Silvio Berlusconi. Beide wurden Opfer der gegenwärtigen Schuldenkrise in Europa. Während Papandreou sein eigenes Volk mit drakonischen Maßnahmen gegen sich aufbrachte, um an Hilfsgelder zu kommen, ist der wegen seiner Affären unbeliebte Berlusconi über den Zinsanstieg italienischer Staatsanleihen gestolpert. An ihre Stelle treten nun die Regierungen der parteilosen Wirtschaftsprofessoren Loukas Papademos und Mario Monti, bestehend aus Experten und Intellektuellen. Somit wird nun erstmals in Europa die Technokratie instauriert.

Gab es 1920 in der Sowjetunion und 1933 mit dem „New Deal“ bereits erste technokratische Vorhaben und Bewegungen, wurde die Technokratie, eine Politik mit rationaler und effektiver Planung und Durchführung, bis heute jedoch noch nie angewandt. Das Prinzip scheint simpel: Keine parteipolitischen Blockaden, keine leeren Versprechungen, um wiedergewählt zu werden, stattdessen die Umsetzung der von der EU Führung geforderten Sparpakete und eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation, um damit wieder aus der Krise herauskommen.

Soweit die Theorie. Die Praxis sieht jedoch weitaus weniger euphorisch aus und offenbart die Kehrseite solcher Regierungen: Sie sind weder demokratisch vom Volk gewählt, noch bestätigt und treffen somit unpopuläre Entscheidungen, die vielleicht rational sein mögen, ohne jedoch die Meinung des Volkes zu beachten. Politiker hingegen können durch das Volk unter Druck gesetzt werden, was sie zum mehr Transparenz und Konsensfähigkeit zwingt.

Zudem lernt die Wirtschaft momentan ihre Grenzen kennen. Ganze Modelle, auf die sich Ökonomen jahrelang stützten, sind heute mit einem mal nicht mehr aktuell. Ben Bernanke, ehemaliger Professor an der Universität Princeton und heutiger Präsident der US-Notenbank FED, musste das 2007 erfahren, als er mit seiner Leitzinserhöhung eine Kreditklemme bei den Banken auslöste, die 2008 ihren Höhepunkt mit der Pleite von Lehman Brothers erreichte. Auch Technokraten sind nicht Fehlerfrei.

Hinzu kommt, dass die beiden vermeintlichen Retter für die Krise mitverantwortlich sind, in der ihre Länder heute stecken. Papademos führte als Gouverneur der griechischen Zentralbank den Euro in Griechenland ein, obwohl die Maastricht-Kriterien nicht erfüllt wurden. Monti ist als Berater von Goldman Sachs mitverantwortlich für den Verkauf von CODs, einer Ansammlung hochriskanter Kredite, an Europa, was ausschlaggebend für die Übertragung der Kreditkrise in den USA auf Europa war.

Dementsprechend skeptisch reagierten die Märkte auf die Amtseinführungen, die eigentlich für mehr Vertrauen in den Euro sorgen sollten und die diesen Monat, nach der irrtümlichen Herabstufung Frankreichs durch die US Ratingagentur Standard&Poor’s, um so dringender benötigt wird.

Aller Kritik zum Trotz: Man darf gespannt sein auf die Ergebnisse der neuen Ministerpräsidenten und des noch unverbrauchten politischen Systems.


Nino Zebiri

1 Kommentar:

  1. Die Praxis der vorherigen demokratisch gewählten Regierungen in Griechenland und gerade in Italien war allerdings auch alles andere als das Gelbe vom Ei. Druck durch das Volk sowie Transparenz und Konsensfähigkeit waren gerade in der Berlusconi-Ära ebenfalls blanke Theorie - der tatsächliche politische Alltag wirkt im Nachhinein betrachtet eher wie eine Parodie einer transparenten, demokratischen Regierung.

    Insofern bewerte ich die Installation der Regierungen Monti u. Papademos als Fortschritt ... jedoch keinesfalls als Persilschein. Eine politische Garantie zur Sicherheit kann man in der momentanen Lage aber ohnehin nicht erwarten.

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